Lese gerade "Das Ende ist mein Anfang" von Tiziano Terzani. Der Italiener war lange Jahre Asienkorrespondent für den Spiegel und hat kurz vor seinem Tod 2004 gemeinsam mit seinem Sohn sein Leben nochmal Revue passieren lassen. Gegen Ende kommt er auf die Situation in Birma zu sprechen...
Oder nimm Birma. Ich weiß, dass ich mit meinem Gedanken da etwas aus der Reihe tanze, und ich will das mörderische Militärregime dieses Landes auch wirklich nicht verteidigen; trotzdem sehe ich einen gewissen Sinn in seiner Barbarei. Denn außer Mustang ist Birma eine der letzten Oasen in Asien, die sich ihren eigenen Charakter bewahrt haben. Die Birmanen rauchen keine Marlboro - der Import von Zigaretten ist verboten - sondern rollen sich ihre cheroot mit dem eigenen Tabak. Und sie tragen auch keine Jeans, sondern ihre longyi. Und statt Niveacreme benutzen sie Sandelholzpaste. In den Straßen Ragoons kannst du abends die Frauen beobachten, wie sie das feine Pulver mit etwas Wasser anrühren und ihren Kindern diese Paste aufs Gesicht streichen, um sie vor den Fliegen zu schützen. Und ihre Haut ist kerngesund! Sie leben ein langsames, ruhiges Leben. Birma wird von einem schrecklichen Militärregime regiert, das auch vor schlimmer Folter nicht zurückschreckt und das ich immer verdammt habe. Die Geschichte der kranken, zur Zwangsarbeit verurteilten jungen Männer habe ich dir ja erzählt. Seit zwanzig, dreißig Jahren versucht die Internationale Gemeinschaft - die EU, die Vereinten Nationen, die Amerikaner- dort etwas mehr Demokratie zu erwirken. An der Spitze der demokratischen Bewegung steht zudem eine außergewöhnliche Frau, Auung San Suu Kyi, der man mit den üblichen politisch opportunistischen Mannövern sogar den Friedensnobelpreis zugeschanzt hat. Eine unglaublich mutige Frau, Tochter eines Helden aus dem birmanischen Unabhängigkeitskrieg gegen Japan, eine Lichtgestalt mit einem ermordeten Vater, wie so oft. Und nun muß man sich entscheiden: Will man die mörderischen Militärs unterstützen oder diese Elfe, die seit Jahren unter Hausarrest steht? So sieht es auf den ersten Blick aus. Doch was steckt dahinter? Die großen Erdölfirmen können die Öffnung Birmas kaum abwarten, denn durch das Land fließen große Mengen an Rohstoffen. Und die japanischen Milliarden für die Entwicklung des Tourismus - Fünf-Sterne-Hotels, Straßen, Schiffe, die über den Inle-See düsen, ein größerer Flughafen - liegen auch schon bereit. Sollte das aktuelle Regime eines Tages durch westlichen Druck gestürzt werden, was vorrauszusehen ist, und sollte Auung San Suu Kyi and die Macht kommen, wird Birma werden wie Thailand: Nutten, Bordelle, Profit, Marlboro, Coca Cola, Blue Jeans. Die Frage die man sich stellt wenn man so alt ist wie ich und keiner Ideologie anhängt, ist nun folgende: Wo liegt die Lösung? Was wünscht du dir? Das die Militärs die Gewalt über das Land behalten? Nein, wie könntest du? Das sich Auung San Suu Kyi durchsetzt? Dann ist Birma binnen weniger Monate am Ende, dann kommen der Beton und die Wolkenkratzer... Also Folco? Was meinst du? Siehst du das Problem? Auf welcher Seite stehtst du?
(aus Terzani, Das Ende ist mein Anfang, S. 296 ff, DVA, Berlin 2007)
Hey!
Ich habe vor längerem deinen Bericht in "die Jungen Wilden" gelesen und war sehr begeistert. Du hast mir sozusagen aus der Seele gesprochen. Wie mein Vorgänger schon gepostet hat, interessiere ich mich auch sehr für "Cafe-Gemeinde". Habt ihr nicht zufällig vor, ne Internet-Seite von eurer Gemeinde zu machen. (Vielleicht gibt es sie auch schon und ich finde sie nur nicht).
Dann würde ich euch auch gerne mal besuchen, um euren Gottesdienst live mitzuerleben und mich inspierieren zu lassen.
Noch eine letzte Sache. Ich war mal auf einer Seite, wo jemand geniale christliche Kurzclips gemacht hatte. Unter anderem spieltest du auch in einem dieser Clips mit. Jetzt finde ich aber nicht mehr die Seite. Könntest du sie mir nochmal sagen?
So, dass war nun ein langer Kommentar aber ich wusste deine email-adresse nicht. Würde mich auf Antwort sehr freuen.
Jessie
Kommentiert von: jessie | 09. Oktober 07 um 22:23 Uhr
Mist, ich hätte mir einfach auch die anderen Kommentare durchlesen sollen. Ich schick dir einfach ne Mail ;-)
Kommentiert von: Jessie | 09. Oktober 07 um 22:26 Uhr
Manchmal find ichs gemein, dass alles so kompliziert sein muss und die Sichtweise jeder "Seite" erstmal einleuchtet und zugleich aber wehtut und kaputt zu machen scheint, wovon man zu wissen/erkennen glaubt, dass es gut ist.
Ich mein, irgendwie ist ja Nivea Kult und Coca Cola, ebenso wie Jeans, oder?
Andererseits auch scheiße, dass es vielerorts sonst nichts mehr gibt (um es mal maßlos zu übertreiben - und das wiederum ist es, was diese Sicht der Dinge ziemlich einseitig macht, ich weiß...)
Aber fest steht doch, dass wir in den Nachrichten eine Sache hören und dann einfach daraufhin dasbilden, was wir als unsere Meinung bezeichnen. Ganz schön manipulierbar sind wir, oder?
Ich fänds auch schön, wenn die Birmesen (oder wie auch immer sie richtig heißen) ihre eigene Demokratie entwickeln könnten. Aber irgendwie glaub ich da nicht dran, dass das so nett abläuft.
Kommentiert von: Warnschild | 12. Oktober 07 um 23:35 Uhr
Die weitaus grössere Gefahr ist meiner Einschätzung nach der negative Einfluss von China, der inoffiziellen "Schutzmacht" Myanmars - wieder einmal aktuell durch dessen Veto im Sicherheitsrates unter Beweis gestellt.
Myanmar ist ein zutiefst religiöses Land. Dies ist den kommunistisch orientierten Militärs und ihren chinesischen Helfershelfern absolut verhasst.
Was die Militärs deshalb gerade mit sadistischer Freude mit den unzähligen Mönchen in Myanmar machen, haben die Chinesen ja schon beispielhaft in Tibet vorgemacht:
"Während Maos Kulturrevolution (1966-1976) wurde der Buddhismus zum Hauptangriffspunkt der kommunistischen "Reformen" und Tibet zu einem Land des Leids: Hunderttausende wurden verhaftet und in Gefängnisse und Arbeitslager verschleppt. Mehr als eine Millionen Tibeter, rund ein Fünftel der Ge-samtbevölkerung, sind infolge der chinesischen Herrschaft an Folter und Hungersnot, durch Hinrichtung oder auf andere Weise zu Tode gekommen.
Die Chinesen verboten praktisch jegliches Studium des Buddhismus und jegliche religiöse Praxis. 1969 gab es in Tibet keine einzige praktizierende Nonne und keinen einzigen praktizierenden Mönch mehr - alle waren sie entweder geflohen, hingerichtet, verhaftet oder zumindest ihrer Ämter enthoben worden. Vor der Invasion überzog ein Netz von mehr als 6.000 Klöstern das Land, 1979 waren alle bis auf 13 geplündert und zerstört worden. Tausende Tonnen religiöser Statuen und anderer Kunstwerke aus edlen Metallen waren gestohlen und in Chinas Gießereien eingeschmolzen oder ins Ausland verkauft worden."
Weiterlesen: http://www.savetibet.org/de/tibet/overview.php
Ich habe Myanmar in 2005 besucht (meine Fotos: http://www.reisefoto.net/galerie/categories.php?cat_id=121 )
und die herrlichsten Tempelanlagen der Welt sehen können.
Freunde berichten mir, dass die Militärs nun bereits beginnen, dort zu plündern und zu zerstören, um die buddhistische Seele des Volkes zu brechen.
Dann doch lieber Coca Cola...
Samuel
http://www.samueldegen.de/html/asien.html
Kommentiert von: Samuel | 22. Oktober 07 um 15:38 Uhr
Terzani schreibt: "...durch westlichen Druck gestürzt werden, was vorrauszusehen ist, und sollte Auung San Suu Kyi and die Macht kommen, wird Birma werden wie Thailand: Nutten, Bordelle, Profit, Marlboro, Coca Cola, Blue Jeans."
Da ist der Kenntnisstand von Terzani dann offensichtlich doch nicht ausreichend.
Die Formulierung zielt auf den wie immer bösen Westen ab, der dies Negative verursacht. Stark durch die Ideen von 68 geprägt, sind dies die klischeehaft eingeübten Reflexe und Hiebe gegen den Westen, ohne die Materie im Detail zu kennen.
Dass z.B die Prostitution in Thailand schon eine uralte Tradition hat, wird verschwiegen. Seit Jahrhunderten machen traditionell die Thai Männer ihre ersten sexuellen Erfahrungen in Bordellen. Auch, wenn wir das mit Recht, abscheulich finden, es ist so.
Zudem kommen danach die Freier hauptsächlich aus dem Osten, nämlich Japan, Korea, Taiwan, Malaysia, Indonesien und neuerdings vermehrt aus Russland und China. Wer die Rotlichzentren in Pattaya, auf Phuket und in BKK wie ich kennt, weis das.
Seit 25 Jahren recherchiere, fotografiere und schreibe ich sehr intensiv in und über diese Region, da erlaube ich mir schon, dem Terzani heftig zu wiedersprechen.
http://www.samueldegen.de/html/1989_thailand.html
Alle Bemühungen des Westens, das liebenswürdige tiefreligiöse Land dem Einfluß des im Möncheschlachten sehr geübten China zu entreissen, ( http://www.savetibet.org/de/tibet/overview.php ) sind mehr als legitim, ja sogar allererste Menschenpflicht.
Samuel
Kommentiert von: Samuel | 23. Oktober 07 um 09:51 Uhr
Danke Leute für eure Kommentare...
Natürliche denke ich auch immer prinzipiell zuerst an die Menschen. Unterdrückung ist immer Scheiße und verachtenswert. Wollte ich nur nochmal gesagt haben.. :)
Kommentiert von: Mark | 24. Oktober 07 um 17:41 Uhr